Pfingstwanderritt durch den Bayerischen Wald vom 03.06.06 – 06.06.06

 

Zum zweiten Mal in diesem Jahr treffen sich alt-eingerittene Wanderreiter (man kennt sich inzwischen vom Altmühltalritt und einigen anderen Ausritten), um den Bayerischen Wald zu erforschen. Ich freue mich immer über neue Gesichter, wie z.B. Marion Letmeier, die mit der wanderritterfahrenen Stute Tonkalla zum ersten Mal einen mehrtägigen Ritt wagen will. Die anderen im Bunde sind Brigitte Troch mit Criollostute Kaiowa, Annette Dawidowitsch mit Schimmelstute Lady, Festus mit Quarter Horse Potter und Painthorse Rain und zum zweiten Mal dabei ist Susanne Augustiniak mit Deutschem Reitpony Robbin. Nicht zu vergessen mein treuer Reitbegleithund Shaky. Da mein Haflinger Max Erholungsurlaub verordnet bekommen hat, werde ich den Ritt auf Rain bestreiten, Festus’ Handpferd. Festus und ich übernehmen diesmal gemeinsam die Streckenführung, da es sehr anstrengend ist, sich in so großen zusammenhängenden Waldgebieten zu orientieren.

 

 

 

Mühlgrabenwanderweg beim Hirschenstein

 

03.06.06

Nördlich von Straubin in Ascha parken wir unsere Gespanne in der Wanderreitstation von Petra Schulz. Nachdem die Pferde gesattelt und die Reiter mit „Hudson Bay“ versorgt sind, starten wir zur ersten Tagesetappe von 20 Kilometern nach Neukirchen. Festus kennt dir Route, denn er ist sie vor Jahren schon mal geritten. So kann ich mich entspannt auf mein „neues Pferd“ Rain konzentrieren.

Die Wege in dieser Region sind wunderschön, leicht hügelig und noch nicht so stark bewaldet, mit Wiesen durchsetzt. Nach ca. 4 Kilometern stehen wir plötzlich vor einer eingezäunten Kuhweide, weit und breit jedoch keine Kuh in Sicht. Kurzerhand öffnen wir den Zaun, treten hindurch, schließen ihn selbstverständlich wieder, und landen mitten im Hof eines Weilers. Die Eigentümer schauen uns etwas verblüfft nach, als wir sehr freundlich grüßend – so als wäre alles vollkommen normal – unseres Weges ziehen.

Kaum erholt vom ersten Schreck folgt schon gleich der zweite. In einer Senke mit Bachlauf in einem kleinen sumpfigen Wäldchen zwingt uns ein schmaler klitschiger Holzsteg zur Umkehr; dafür müssen wir 3 Kilometer Umweg in Kauf nehmen, werden aber schon bald mit einer saftigen Wiese belohnt, auf der unsere Vierbeiner eine Fresspause bekommen.

Mit herrlichem Blick über den Bayerischen Wald ziehen wir bald weiter und erreichen den Ort Mitterfels. Im Ortskern stoßen wir auf eine Eisdiele, an der kein Weg vorbei führt. Vorschriftsmäßig parken wir unsere Rösser auf dem Parkplatz und genießen ein Eis im Stehen. Anschließend führen wir noch ein Stück durch den Ort und gelangen auf eine stillgelegte Bahntrasse, die als Wanderweg umfunktioniert wurde. Freudig sitzen wir auf, denn die Beschaffenheit des Weges lädt zu einem erfrischenden Trab ein. Kurz vor Neukirchen biegen wir auf einen schönen Wiesenweg ein, der durch eine 3-Häuser-Siedlung führt. Von weitem sehe ich schon einen Mann in jägersgrüner Kluft mitten auf dem Weg stehen und als wir uns nähern, kommt was kommen muss. „Hier auf diesem Weg wird nicht geritten“, „sollen auf der Straße reiten“, „machen alles kaputt“. Wir kehren um, denn Reiter haben keine Lobby und der Klügere gibt bekanntlich nach. Auf meinen Wanderritten habe ich es leider schon öfter erlebt, dass sich selbsternannte Wegelagerer in die Quere stellen.

 

 

Lady und Robin vor einem Erdbeerstand

 

Auf einem anderen schönen Weg steuern wir direkt auf ein Erdbeerfeld zu und in einer großen roten Holzerdbeere sitzt eine Frau und verkauft die süßesten Erdbeeren aller Zeiten. Eingedeckt mit Tüten voller Erdbeeren erreichen wir den Reitstall von Alex Schober, der in Neukirchen ein Ferienhotel mit Reitschulbetrieb führt. In den Ferien hat man fast keine Chance ein Zimmer zu bekommen, es sei denn, man ist Wanderreiter; für die hat Alex im Keller ein Matratzenlager hergerichtet. Mit Dusche und WC – für eine Nacht O.K. Die Pferde sind im Reitstall etwas verstreut in Boxen untergebracht, was zu Anfang etwas Unruhe in unsere eingefleischte, aneinander gewöhnte Herde bringt. Doch bald kehrt Ruhe ein und wir Reiter freuen uns auf ein gutes Essen. Am späten Abend gesellt sich auch Alex zu uns und spendiert allen einen Bügeltrunk. In geselliger Runde erzählt jeder einen Schwank aus alten Reiterzeiten. Für die morgige Streckenplanung gibt mir Alex noch ein paar Tipps über Wege, die wir besser nicht nehmen sollten, denn morgen haben wir den längsten Reittag mit ca. 25 Kilometern Luftlinie und einem Anstieg von 850 Höhenmetern auf den Hirschenstein, der 1095 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Da uns das allen sehr bewusst ist, gehen wir recht bald ins Lager zum Schlafen.

 

04.06.06

In der Nacht hat es geregnet und die Luft ist sehr feucht, dementsprechend sind wohl auch die Wege. Geputzt und gesattelt gehen wir zuerst zur Fotosession und anschließend auf den Weg in Richtung Hirschenstein. Riesige Wasserpfützen zwingen uns recht bald zum Aufsitzen. Wir reiten entlang des Bogenbachs durch grüne Auen auf einem romantischen Weg. Die Stimmung ist wie im Märchen und man hat das Gefühl, dass jeden Moment im Morgentau ein Fabelwesen auftauchen könnte. Stetig bergaufsteigend führt uns Festus dem Hirschensteig entgegen. Auf einem steilen, sehr steinigen Weg gelangen wir in den Schwarzacher Hochwald, der durch seinen dichten Baumbewuchs bei Nieselregen etwas mystisch anmutet. Nach einigen steilen Serpentinen traut man seinen Augen nicht, direkt auf dem Höhenkamm entspringt aus einer Quelle der Kaltenbach, zu dem parallel der traumhafte Mühlgrabenwanderweg entlang führt. Ich bin überwältigt von dem artenreichen Pflanzenreichtum entlang des Baches. Wie in Trance reiten wir weiter und genießen still; der anstrengende Anstieg hat sich gelohnt.

 

 

Entlang des Bogenbachs durch grüne Auen

 

Während die Pferde zufrieden abschnaufen, nähern wir uns der geplanten Mittagsrast in Oedwies auf dem Kälberbuckel. Oedwies liegt auf einer Lichtung mit Wiesen, diese mitten im Wald, in dem wir uns seit mehr als 4 Stunden befinden. Kurz vor der Ankunft in Oedwies legen wir noch schnell eine Pinkelpause ein, d.h. einer hält zwei Pferde, der andere geht in den Busch. Gerade als ich meine Hose in den Kniekehlen habe, höre ich lautes Getöse auf dem Schotterweg und denke noch: „Hört sich an wie Pferdehufe“. Ich habe es gerade noch geschafft, meine Hose wieder hochzuziehen, da kommt eine Horde 6 todesmutiger Reiter an uns kreuz und quer auf dem Weg stehenden Pferden samt Reitern vorbeigaloppiert ohne durchzuparieren. Die Steine fliegen uns fast um die Ohren und 2 Wanderer, die gerade aus einem Nebenweg kommen, springen verängstigt zurück. Mir fehlen die Worte! Jetzt wird mir bewußt, warum Reiter bei so manchen Menschen in schlechtem Licht dastehen.

Trotzdem genießen wir dann unsere wohlverdiente Stunde Mittagsrast in Oedwies bei inzwischen herrlichem Sonnenschein. Die Pferde grasen derweil auf der Lichtung.

Von nun an geht’s bergab auf dem Wanderweg mit der Nummer 3. Wir gelangen an eine Wegkreuzung, die jeden Wanderreiter das Herz stocken läßt: mit 7 Abzweigungen! Da muß man die richtige Entscheidung treffen. Nach mehrmaligem im Kreis drehen mit der Karte in der Hand wird eine Entscheidung für Wanderweg Nummer 5 getroffen, die sich später zum Glück als die richtige erweist. Doch zuvor müssen wir noch einige Fotos schießen, an einem sehr suspekten Steinhaufen, aus dem in Intervallen Wasser spritzt. – Unsere Rösser nehmen’s inzwischen gelassen.

 

 

Am Steinhaufen bei Ödwies

 

Nach einer guten Stunde bergab kommen wir aus dem Wald in lichteres Gelände und nach einer weiteren Stunde erreichen wir den Ort Hof. Unser heutiges Nachtquartier ist eine Ferienwohnung mit Reitstall, geführt von der Familie Stern, die sich liebevoll um Pferde und Reiter kümmert. Familie Stern hat sich erst vor kurzem in das Wanderreitverzeichnis im Bayerischen Wald aufnehmen lassen und wir hatten die Ehre, als erste Wanderreiter zu Gast bei ihnen zu sein. Dem entsprechend war der Empfang. Für die Pferde hat Herr Stern 6 große Paddocks perfekt eingezäunt, dazu gibt’s noch Heu und Kraftfutter. Wir Reiter kommen in einer der vielen gemütlichen Ferienwohnungen unter. Nachdem unsere Zossen versorgt sind, werden wir auch noch in das naheliegende Gasthaus in Ayrhof chauffiert. Bald schon fallen wir, gesättigt mit Spezialitäten aus bayerischer Küche, todmüde in die Betten.

 

05.06.06

Am Morgen bekommen wir ein Wahnsinns-Frühstück von Frau Stern serviert; noch nie habe ich auf einem Wanderritt von so edlem Porzellan (Villeroy und Boch) gespeist, der Tisch biegt sich von all den Speisen. Wir können uns kaum losreißen von der gastfreundlichen Familie, doch der Wald ruft und schon bald sitzen wir wieder auf unseren Rössern und reiten in nord-westlicher Richtung. Das heutige Ziel ist Riedern, ca. 22 Kilometer entfernt. Es liegt exakt an der Grenze zum oberen Bayerischen Wald oder, anders gesagt, zur Oberpfalz.

Den Vormittag verbringen wir ausschließlich auf dem Pandurensteig, der von Waldmünchen über Regen nach Passau führt. In Viechtach sehen wir aus einiger Entfernung das Naturdenkmal „Den Pfahl“, das wir zu unserer rechten liegen lassen, um nach links in Richtung Mittagsrast abzubiegen. Der Pandurensteig verläuft fast eben, was sich auf unsere Pferde sehr positiv auswirkt; frisch und munter laufen sie gut voran.

Gut eine Stunde vor unserer Mittagsstation bei Riedmühle durchreiten wir einen sehr steinigen Bach. Kaum haben wir diesen passiert, höre ich von hinten ein lautes „Halt!“ und die Gruppe stoppt sofort. Susannes Pferd Robbin hat sich im Bach von einem großen Stein sein hinteres Eisen fast abgezogen; es hängt nur noch mit 3 Nägeln am Huf und steht seitlich weg. Gott sei Dank habe ich für solche Fälle immer mein Not-Beschlagswerkzeug dabei (zu beziehen über die Fa. Hans Neuper, Rennbahnstraße 52, 81929 München, Daglfing), welches nun zum ersten mal auf einem meiner Wanderritte zum Einsatz kommt. Es ist auch immer vorteilhaft, einen starken Mann mit im Gepäck zu  haben, der jetzt auch zum Einsatz kommt. Kompetent richtet Festus das Eisen gerade und nagelt es wieder fest; anschließend lassen wir Robbin vortraben. Er läuft perfekt, der Ritt kann weitergehen.

 

 

 

Ankunft in Schwaben beim Distelberg

 

Vor lauter Aufregung verpassen wir die etwas humanere Abzweigung nach Schwaben nahe des Distelbergs auf 748 Metern Höhe, wo unsere Mittagsrast stattfinden soll. Statt dessen befinden wir uns auf dem etwas steileren Höhenweg, der direkt über den Distelberg führt. In gleichmäßigem Schritt kraxeln nicht nur die Pferde 250 Meter den Berg hinauf, auch einige Reiter sind abgestiegen, um ihre Vierbeiner zu entlasten. Oben angekommen legen wir eine wohlverdiente Freßpause auf einer Bergwiese ein, denn der idyllische Ort Schwaben liegt direkt vor uns. In Schwaben spannen wir ein Hochseil vor dem Gasthaus, denn es gibt nicht genung Anbindemöglichkeiten für unsere 6 Zossen. Doch alle sind friedlich am Seil und genießen die ausgiebige Pause. Drinnen im Gasthaus von Ludwig Schätz löst sich auch bei uns die Anspannung in gemütlicher Atmosphäre, gutem Essen und einigen Obstlern.

Am Nachmittag liegt ein 2 ½-stündiger Ritt vor uns, in leicht hügeligem Gelände auf schönen Naturwegen in einer dünn besiedelten Gegend. Nördlich von Rattenberg, ca. 5 Kilometer vor unserer Abendstation – wir reiten gerade ein Stück auf der Straße – höre ich einen ungleichmäßigen Klang unter meinem Pferd Rain und stelle mit Entsetzen fest, dass ihm vorne links ein Eisen fehlt. Heute ist anscheinend der Tag der verlorenen Hufeisen. Nach kurzer Überlegung beschließen Festus und ich, die letzten Kilometer bis zum Stall weiterzureiten.

In Riedern werden wir schon von Sabine Bielmeier in ihrem Kutscherhof erwartet. Nach Einweisung der Boxen für die Pferde versucht Festus, einen Hufschmied zu organisieren, was jedoch am Wochenende sehr schwierig ist. Kurzerhand beschließt er, Rain auch noch das zweite Hufeisen abzunehmen mit der Begründung: „Zwei ab ist besser als eins dran.“

Im Hof duftet es inzwischen nach Schweinebraten, den Sabine schon für uns hungrige Wanderreiter vorbereitet hat und es bleibt – wie so oft – keine Zeit zum Duschen. Im Reiterstüberl sorgt der Kanonenofen für mollige Wärme, denn es ist recht kalt im Bayerischen Wald. „Vor einer Woche hat es hier noch geschneit“, erzählt uns Sabine, dann zieht sie sich zurück und überläßt uns ihrem hervorragenden Schweinebraten mit Klößen und Sauerkraut und weist uns auf das Gästebuch hin, in welchem wir uns verewigen sollen. Beim Durchblättern des Buches, in dem auch Fotos von vielen Wanderreitern abgebildet sind, kommt uns ein Gesicht sehr bekannt vor. Es ist die Reiterin aus der Gruppe, die gestern im Wald an uns vorbei galoppiert sind. Ich hätte große Lust, ihren Namen hier zu erwähnen, denn ich ärgere mich immer noch, dass solche verantwortungslosen Reiter den Ruf aller Reiter ruinieren.

Nach dem Essen tritt bei allen das große Gähnen ein und schon bald zieht sich einer nach dem anderen in unser Matratzenlager der besonderen Art zurück. Über einer Garage im spartanisch ausgebauten Dachspitz liegen wir wie die Heringe einer neben dem anderen. Alle sind zufrieden und gleichmäßig atmend eingeschlafen, nur ich liege noch wach und zähle die Atemzüge der anderen. Nach gut einer Stunde und über 1000 Atemzügen beschließe ich, mich ins Reiterstüberl zu legen.

 

 

 

Unsere Gruppe beim Kutscherhof in Riedern

 

 

06.06.06

Nach einer kurzen Nacht trudeln langsam alle zum Frühstück im Stüberl ein; auch das bietet alles was ein Wanderreiter braucht. Schon bald brechen wir zu unserer letzten Etappe zurück nach Ascha auf. Richtung Süden entlang der stillgelegten Bahnstrasse, die früher von Miltach nach Mitterfels führte, reiten wir heute und sind flott unterwegs; die Pferde spüren, dass es Richtung Ausgangspunkt geht. Nach zwei Stunden sind wir schon an der Mittagsstation in Maierhofen angekommen. Wir binden unsere Pferde an, doch die wollen noch nicht so richtig ausruhen, sind sie doch andere Tagesetappen gewohnt. Es dauert ein Weilchen bis in der Herde Ruhe einkehrt und wir uns zur letzten Einkehr im Gasthaus zusammensetzen.

Am Nachmittag reiten wir noch zwei gemütliche Stündchen und treffen wohlbehalten an unserem Ausgangspunkt in Ascha ein. Nachdem alle Pferde in ihren Anhängern verladen sind, verabschiedet sich die Gruppe voneinander mit der Absicht, in diesem Jahr zu einem weiteren Wanderritt zusammen zu treffen.

 

 

Fazit, Danksagung

Sehr harmonischer Ritt mit einer ausgesprochen homogenen Reiterschaar. Der Bayerische Wald mit seinem sehr gut ausgebauten Wanderreitnetz und seinen Wanderreitstationen, die sehr gastfreundlich und kompetent alles bieten, was Rösser und Reiter brauchen um Kraft für den nächsten Tag zu schöpfen, gehört nun zu meinen liebsten Wanderreitregionen.

Vielen Dank auch im Namen aller Mitreiter an die Stationen, die uns vorzüglich aufgenommen und bewirtet haben. Ein weiterer Dank auch an alle Mittagsstationen, die so unkompliziert Pferde und Reiter beherbergen.